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Monolog der Dido

Prolog zu Henry Purcell „Dido und Aeneas“ im Auftrag des Theater Luzern

Regie: Magdalena Fuchsberger, Musikalische Leitung: Jonathan Bloxham, Theater Luzern 09.09.2023

Trailer

Hört ihr?

Kein Laut

Die Felsen brechen die Wellen

Nur zarte Wogen umspülen den Strand

Ein Rauschen

Ein ständiges Rauschen

Der Druck meines Blutes in meinem Ohr

Er reißt nicht ab

Durchzieht meinen Körper

Meinen schmerzenden Körper

Man nennt mich Elissa

Die Aktive

Auch Dido, die ist

Die ihr Schicksal nicht kennt

Die Stürme, die ich sah

Die Mensch und Schiff zerrissen

In deren Feuer der letzte Lebenskeim erstickt

Sind in mich eingezogen

Und wüten weiter

Damit hier Frieden herrscht

Und tosen innerlich

Umhüllt von Netzen

Aus Muskeln und Haut

Ich halte dem Stand

Innerer Blessuren zum Trotz

Bewahre die Fassung

Die schöne Elissa

Jene klaffenden Wunden

Die das Schicksal freudig

mir ins Fleisch schlug

Sind überzogen von neuem Gewebe

Überwucherte Narben

Schilder aus Horn

Ein Panzer aus Haut

Didos schillernde Rüstung

Erwachsen aus Leid

Wehrhaft und sicher

Man nennt mich Elissa

Die Aktive

Es ist das Schicksal selbst

Das mich zum Handeln drängt

Wie sollte ich leben

Neben dem Bruder

der den Boden des Hauses

mit dem Blut meines Liebsten durchtränkt?

Das Gold meines Gatten

Er sieht es als seines

Und blickt dabei durch mich hindurch

Ich machte mich schuldig

Ich griff ein in die Dinge

Ich störte das Schicksal aus Furcht

Denn ich bin, was ich bin

Hochgeboren

Nur zu ertragen

Das ist mir nicht möglich

In mir herrscht Feuer und Glut

Verloren für immer

Ist der Schoß meiner Heimat

Es quillt aus den

Wurzeln der Bäume

Schwarzes dickflüssiges Blut

Und besudelt die Erde meiner Väter

Und verweist mich hinaus auf das tosende Meer

Als handelnde Frau bin ich auf ewig verschuldet

Doch ohne die Flucht gäbe es mich selbst wohl nicht mehr

Es sind viele, die mich begleiten

Sie strömten von überall her

Zur Königin Karthagos

Ich führe sie an

als mein Volk, als mein Heer

So zieht ein in mein Haus

Ihr Verwaisten

Ihr Schiffbrüchigen

Kein Leid ist meinem Auge fremd

Ich fürcht’ sie nicht mehr

Die lauernden Klingen

Die sich durch den Wüstensand ziehen

Sie harren des Schritt’s abseits des Weges

Auf meinen Fehltritt, der sie ermächtigt

Eigens für sie ließ ich Mauern errichten

Ich selbst gab den Schwur, der sie hemmt

Denn in der Hektik des Scheidens aus meiner Heimat

Watend im schwarzdickflüssigen Blut

Drängten mich jene, die mir hierher folgten

Dem verstorbenen Gatten, gleich seiner Taten

Durch ewigen Eid die Treue zu halten

Die Ehre zu sichern

Und niemals mehr mich neuzuverbinden

sodass meine Schuld als handelnde Frau

sie nicht weiter beschmutze

Weil Elissa so etwas nicht tut

Und wenn einer ankommt

Dem ich könnte erliegen

Der mir meine Glieder erregt

Wäre das ein Verhängnis

Gleich meinem Verderben

Ein Freischein für Werber

Für jeden, der Anspruch auf mich erhebt

Denn als Frau ohne Bindung

Ohne Familie

Bin ich gezwungen

mir den zu erwählen

Der mich in Fesseln dann legt

Mein einziger Schutz

Der Schwur auf den Gatten

Verflucht jede Rührung, die sich nicht mehr legt

Denn ich bin, was ich bin

Hochgeboren

Nicht Sklavin im fremden noch im eigenen Land

Ich verschulde mich stetig

Durch mein reines Dasein

Als Frau

Die Dido, die ist

Bin ich genannt

Niemand fasst mich an

niemand berührt mich

Träte es doch ein, wie fatal

dann zerreißt nicht nur mein eigener Körper

der allen Schmerz freigibt

es zerreißt mir mein Reich

die Stadt, die Moral

Bluten würde ich fortan

Und könnt mich nicht Halten

Nicht aufrecht vor den Meinen gehen

Dem Zwist der Nachbarn freigegeben

Müsst’ ich mein Volk dem Mann unterjochen

Mit gebrochenem Eid vor den Göttern selbst stehen

So bleibt mir nur meine eiserne Haltung

Die mich von innen zerfrisst

Durchtränkt ist mein Geist

von der Schuld ewiger Treue

denn ein Sehnen, dessen Ausgang ungewiss ist

Es keimt tief in meiner Brust auf

Aeneas

Durch das Leid wirkst du mir verbunden

Aeneas

was gäbe ich dafür

Als Unversehrte dich zu berühr’n

Doch bin ich, was ich bin

Die Herrscherin Karthagos

Ich stehe im Weg des Schicksalsverlauf’s

So ist es am Ende mein vernarbter Körper,

der mich von dir trennt

Die Politik, die Ehre, selbst die Sterne und das Firmament

So tretet ein in mein Haus, Ihr Fremden

Besser wird’s hier draußen nicht

Den Lauf der Welt vermag ich nicht zu ändern

Und was er mir zuträgt, spaltet mich innerlich