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Zement

Kurzdrama. Regie: Stephan Kasimir. Theater Kosmos, Bregenz, Juli 2019

Auszug:

A: Vorbereitung ist gut. Die Welt bricht über uns zusammen. Alles muss standhalten. Dazu habe ich Handwerker geholt. Zum Mauern isolieren, zum Fenster abdichten. Sie haben den Keller betoniert. Der Keller ist mir wichtig. Für Vorräte und den Sicherheitsraum. Er kann nicht groß genug sein. Nur kein Erdkeller. Das hat man Früher so gemacht. Heute baut man Keller aus Zement. Ein trockener Keller ist Gold wert. Haus. Fundament. Keller. Die Technik bietet viele Möglichkeiten. Belüftungssysteme, die Heizungsluft sparen. Ein Luftkreislauf, der aussortiert. 40 Prozent raus und 60 Prozent werden wiederverwertet. Ohne ein Fenster zu öffnen. Energiesparend und sicher. Das wird auch gefördert. 

Hier funktioniert alles elektrisch. Jalousien – Regensensor – Lichtsensor. Ich brauche nicht einmal zu Hause zu sein. Das Haus schließt sich von alleine ab. Die Alarmanlage reagiert sensibel. Jede Bewegung wird registriert. Ich habe gute Zäune. Akustische Sicherungen. Gegen Tiere. Damit die Alarmanlage nicht auslöst. Wegen einer Katze. Das ist teuer. Ein Polizeieinsatz wegen einer Katze. Fehlalarm passiert. Ich bin aber immer da. Das System funktioniert. 

Und ständig gibt es Wartungen. Durch Spezialisten. Codewechsel jeden Monat. Zehn Zahlen und Buchstaben. Sterbedatum meiner Mutter mit Anfangsziffern. Steuernummer plus Bezirkskürzel. Abholtermin für Plastik kombiniert mit Kennzeichen. Da bin ich immer sicher. Niemand weiß Bescheid. 

B: Wenn ich den Grund abgehe, sind es fünfundachtzig Schritte. Das ist nicht viel. 

B geht die Ränder der Bühne ab. A beobachtet sie dabei. 

A:  Da drüben beginnt mein Grundstück. Zwischen Strauch und Baum liegt die Grenze. 

B:  Steht das so im Plan? 

A:  In welchem Plan? Es gibt keinen Plan. 

B:  Den Grundbuchplan mein ich. 

A:  Ja, aber da ist die Wiese nicht abgetrennt. 

B:  Klar, deswegen parzellieren wir ja jetzt. Aber gibt es diese Grenze irgendwo? 

A:  Was meinst du damit? 

B:  Gibt es irgendein Formular oder eine Widmung, die diese Grenze benennt? 

A:  Hmm. Wenn dann etwas Älteres. In jüngerer Zeit nicht. Vielleicht steht in den Papieren von der Grenzsteinsetzung was Genaueres. 

B: Es gibt Grenzsteine? 

A:  Ja, aber die sind alt. Als ich ein Kind war, waren sie schon halb versunken. Ich bin mir nicht sicher, ob wir die noch finden können. 

B:  Aber Landvermesser machen doch genau das, Steine ausgraben! 

A:  Vorausgesetzt, man sucht an der richtigen Stelle. 

(…)